25 Jahre Blechverehrung und Clubgedöns
Ein ganz persönlicher Rückblick mit viel Humor von KJE:
25 Jahre Blechverehrung und Clubgedöns
… eine solche Zeitspanne dürften heutzutage die Mehrzahl der Ehen nicht überstehen.
Das ist ein starker Hinweis, dass Autos und ihre Enthusiasten friedliche Naturen sind. Wiewohl in beiden Beziehungen zumeist wilde Leidenschaften toben, verursachen Autos im Fall der Trennung weniger Blutvergießen… Es genügt kühl festzustellen „alles hat seine Zeit“, das Ding auf den Markt zu werfen (im Fall R107 derzeit ein eher erfreuliches Vorhaben) und ein neues Spielzeug zu erbeuten. Sogar unser Gründer und Ehrenpräsident ist so verfahren und vergnügt sich mit einer Elise – natürlich vierrädrig(!). Ich würde es ohne Zögern auch tun, wenn sich denn was Vierrädriges fände, das wie der R107 Herz und Sinne streichelt. Im Übrigen gilt: auch wenn man(n) gelegentlich den Wunsch hat mit der Zweirädrigen – äh, natürlich zweibeinigen – ebenso zu verfahren, ist es absolut herzlos und keinesfalls anzuraten! Feierliche Anlässe wie die silberne 25 sind Grund für eine Gewissenserforschung in Sachen Beziehung.
Pikanterweise gibt es unübersehbare Ähnlichkeiten zwischen den vierrädrigen und zweibeinigen, die man(n) natürlich nie öffentlich machen wird, aber wir sind ja hier in einem Clübchen ähnlich Gehäkelter, und da darf man schon mal sein Innerstes öffnen. Es waren durchweg Schlüsselreize wie Kurven, Augen, Klänge, Zöpfe und alles sonst noch denkbare, das die einfache Natur des Mannes verwirrte und vom täglichen Brassl und der periodischen Betankung mit Troststoffen ablenkte. Mit Entschlossenheit wurde nun die mögliche Beute studiert, verfolgt und schließlich heimgeführt. So auch bei mir, das Entscheidende war bereits im Kindergarten erledigt (Zöpfe), in Sachen Roadster sollte es noch dauern.
Eigentlich sollte es ja ein R129 werden, daher meine Anwesenheit bei seiner Vorstellung. Wie üblich mit Tschingderassabumm, Häppchen, Brause, knöcheltiefen Teppichen und massig Weibern, alles nicht hoch auf meiner Prioritätenliste. In der finsteren Tiefe des Raumes standen zwei R107, die kein Mensch beachtete. Mein verblichener Lateinlehrer klang in mein Ohr „sic transit gloria mundi”. Ich wusste, dass es den R107 gab, hatte mich jedoch den Autos „for filthy rich old women” nie genähert, und Dallas/Denver nie gesehen. Beide 107er waren offen, einer sogar in der famosen Stoff- Leder Kombination. Welch ein Kontrast zu dem durchgestylten R129! Sektglas leeren, Häppchen verputzen, Finger ablecken und „mal fühlen” war der Plan. Nun nahm das Ding seinen Lauf, ganz wie so oft bei den Zweibeinigen mit den Hügeln unterm Pulli. Den Türgriff kannte ich vom W126, aber das Gefühl und der Klang der Tür war ganz klar eine ganze Nummer üppiger. Einsteigen, wummmmms, und das riesige Lenkrad machten das Schlüsselerlebnis, das bis heute wirkt. „Haben müssen” war die kindliche Reaktion, und natürlich das Kalkül, einen guten Schnapp machen zu können.
Es fand sich ein Verkäufer, dem ich großzügig anbot, ihn gegen fetten Nachlass von einer seiner „Standuhren” zu erlösen. Wieherndes Gelächter: R107? Alle verkauft, könnte noch mehr an Frau/Mann bringen, habe aber keine! Ich habe ihm nicht wirklich geglaubt und Prospekt und Preisliste ausgefasst. Wochen später tauchten die Dokumente bei einem müden Business- Meeting wieder auf und wurden erstmals studiert. Überraschung! Das sind ja unter’m Blech ziemlich moderne Autos mit 126er Technik! Nun musste ich erst mal rein in so ein Ding und fahren. Dass man den offen fährt, war mir bis da hin gar nicht wirklich klar. Umso heftiger das erste date: Wummmmmm, Haltung wie der Rudergänger auf der Bismarck annehmen, ablegen, Wind und ein wenig Seegang auch – wieder wie auf der Bismarck. Alles fühlte sich zwar vertraut, aber nach der „Guten Alten Zeit” an. Ein wirklicher Kontrast zu den Alltagsautos auch mit Stern, und ein bislang ungekanntes Erlebnis. Im Vergleich tat der R129 bei geschlossenen Augen und Dach wie ein W124, hier im 107 tickte eine andere, unterhaltsamere Autowelt.
Es könnte womöglich „vernünftig” sein, so ein Möbel anzuschaffen, sich zusammen zu vergnügen und in Würde zu altern. Es heißt, daß solche Ideen direkt zum Traualtar führen… , und manchmal sogar länger als 25 Jahre funktionieren, was natürlich kein Beweis ist, dass (alle) Frauen wie Möbel sind. Es war absolut vernünftig, den R129 Zettel zu Geld zu machen und einen 300 SL zu adoptieren. Das Möbel ist immer noch bei mir, gealtert sind wir beide, das mit der Würde wollen wir nicht weiter vertiefen, aber das mit dem Clübchen doch noch ein wenig belästern. Ende 1989 war alles eingegleist und sogar ein Muster-Windschott (die für den Alltagsbetrieb wichtigste Innovation des R129) aufgetrieben. Bei Versuchsfahrten mit und ohne Dach hatte ich erlebt, dass ich genau genommen zwei Autos besaß – großes fettes Grinsen war angesagt. Weil die Prüfer vom Band in Sindelfingen sich inzwischen im Feindesland Bremen um die Qualität des R129 kümmerten, hatten die letzen Autos aus SiFi kleinere Gebrechen, die mit passenden Schraubenschlüsseln problemlos zu heilen waren – nur die Lenkung widersetzte sich ohne Sonderwerkzeug standhaft. Jedenfalls lernte ich, wie gut man am R107 schrauben kann, aber auch wie nötig technische Informationen sind, damit die Lehrjahre möglichst kurz und ereignislos blieben.
Im Haus mit dem Stern auf dem Dach war ich nur während der Gewährleistungszeiten bekannt und galt danach als ziemlich zugeknöpft. Genau so waren die dann auch, wenn es um Informationen für meinen 107 ging. Irgendwo tauchte dann ein Zettel mit Aachener Telefonnummer auf, hinter der sich ein 107- Club befinden sollte! Naiv dachte ich bei mir: Club, wohnt direkt in den Rockfalten von Mutter Benz und Literatur und Information über das herrliche Möbel stapelt sich in Massen, ganz wie vom Alfaclub gewohnt. Die Nummer in Aachen endete in einer Bank, und die Flötistin dort meinte, dass der Herr Direktor sich zwar mit einem komischen Mercedes befasse, aber derzeit mit Geld zählen beschäftigt sei. Hm, Banker und Auto, das riecht mehr nach Leasing denn nach Castrol, keine vielversprechende Perspektive. Egal, signalisieren Sie bitte seiner Eminenz bitte mal mein Interesse und er möge das Nötige veranlassen. Tatsächlich erhielt ich nach einigen Wirrungen die Mitgliedsnummer 113. Damit verbunden war allerlei Papier aus dem deutlich hervorging, dass man an einen Benz keinesfalls selber Hand anlegt, sondern sich in Demut dem Mann mit dem Stern auf dem Kittel nähert, der das Geschehen gegen (viel) Bares mit dicken Stempeln im Scheckheft dokumentiert. Ganz klar, Banker denken nur an Schecks, von Checks haben die keinen Schimmer – wie auch? Bin ich hier richtig?
Der Sommer war wunderbar, das Auto benahm sich ebenso, und Club war überhaupt nicht (mehr) auf meinem Radar, bis wieder ein Zettel auftauchte, der von einer R107 Truppe berichtete, bei der man sich für eine herbstliche Ausfahrt anmelden könne. So wanderte der Termin in meinen Kalender, mit der Anmeldung hielt ich mich in meiner bekannt großzügigen Art nicht erst auf. Meine pflichtbewusste Sekretärin pflegte mit lustigen und motivierenden Zetteln oder Anrufen mein Geschäfts-Gedächtnis und hatte den Termin als solchen verstanden, denn beim Daimler war meist „was zu holen”. So am Samstagmorgen der liebliche Anruf: „Denken Sie heute an Mercedes…!” O.k., Sonne gut, Gespielin bestens drauf, heute mal Club – schlimmstenfalls ist es nur doof. Gewitzt durch ähnliche Alfa- Erlebnisse gingen noch einige Mercedes- Folianten mit auf die Reise.
Tatsächlich fand sich in Altenberg – da wo der Bergische Dom steht – ein Schranke, vor der ein strenger Custode und hinter der eine Reihe blitzender 107 lauerten. Der Mann an der Schranke (heutzutage im Club als BJK wohlbekannt) warf einen besorgt forschenden Blick auf seine Teilnehmerliste und einen betont strengen Blick auf meine fromme Miene, hinter der hektisch an einer Ausrede gebastelt wurde. „Sind Sie wenigstens im Club?” – mein fröhliches „aber natürlich!” ließ sogleich die Schranke hochgehen. Das gefiel mir, kein Gedöns, keine Bürokratie, Club muss gut sein, auch wenn die kein Castrol sieden. Noch besser gefiel mir eine erstklassige Ausfahrt- Agenda mit der Ankündigung, am Zielort ein paar Aufgaben zu lösen, deren Ergebnis dann am Abend feierlich mit Preisen belohnt und gebührend gefeiert würde. Meine Folianten gaben zu guter Hoffnung Anlass.
Der Verlauf der Lustbarkeit ist in Heft 01/91 der 107 Klassik dokumentiert, und der gewonnene Preis ist noch heute an meinem Auto zu bestaunen, obwohl es sich um Lametta handelt, über das ich gerne und ausgiebig lästere. Damals war es die Höflichkeit gegenüber dem Veranstalter, der alle (eine Unzahl) Preise dem örtlichen Gewerbe abgesungen hatte, die die unverzügliche, schraubenlose(!) Montage der bleischweren verchromten Messing-Trittbretter aus dem gelobten Land (Kalifornien) zwingend geboten machte. Die Zeit hat auch diese Wunde an meinem Leistungsgewicht geheilt und jedes Mal wenn ich einsteige, schmunzle ich über meine Lästerungen – „die größten Kritiker der Elche, waren früher selber welche” sagt der Volksmund. Jedenfalls wurden einige sehr nette Kontakte zu Menschen geknüpft, denen man ohne Club nie im Leben begegnet wäre. Tatsächlich war es einer der ersten RTs im Club, der sich monatlich traf und bei der Speisung über Hund, Katze, Kinder und gelegentlich sogar Auto fabulierte. So geht das immer noch…
Wirklich viel hat sich nicht geändert im Club, nur dass es inzwischen sehr viele RTs gibt, in denen Club stattfindet. Und das ruhig und friedlich; geringfügige Eskapaden unter der Überschrift „der Vorstand ist der natürliche Feind eines jeden aufrechten Clubmenschen” gehören dazu und werden cool ausgesessen oder mit List unterdrückt. Wir machen das ja zum Spaß und nicht um uns zu ärgern! Hier ist Ort und Zeit, den absolut vielen, relativ wenigen (wie immer) Akteuren – von denen die wenigsten vorn auf der Bühne stehen – für Ihre Arbeit und Zeit herzlich zu danken. Nur in die Sache mit dem Mann, der den Stern auf dem Kittel hat, ist viel Bewegung gekommen. Wir sind (und werden) kein Schrauberclub, aber die, die schrauben wollen (und können), werden weiter und intensiver mit Information, Schulung und persönlichen Kontakten unterstützt. Die kommenden 25 Jahre werden sicherlich von den U50 gefahren werden (müssen). Dabei wird es Gefahren geben, die nicht zuletzt von unserer gut gefüllten Kasse ausgehen. Mit Verstand ist das locker zu stemmen, „und führe uns nicht in Versuchung” soll man ruhig gelegentlich dabei murmeln, wenn es mal wieder um Kommerzialisierung geht.
In diesem Sinne, Glück Auf! kje